Das Phänomen der „Tipflation“, ursprünglich in den USA entstanden, hat nun auch die deutsche Gastronomie erreicht und entfacht hitzige Diskussionen über die angemessene Höhe des Trinkgelds. Viele Gäste fühlen sich zunehmend unter Druck gesetzt, bestimmte vorgegebene Trinkgeldbeträge zu zahlen.
Digitale Bezahlgeräte, die immer eingesetzt werden, berechnen das Trinkgeld automatisch. Oft werden hier Mindestvorschläge von zehn Prozent der Rechnungssumme gemacht oder Auswahlmöglichkeiten von 10, 15 oder 20 Prozent angeboten. Die Option, diese Vorschläge abzulehnen, ist häufig nur schwer auffindbar oder verlangt die Nachfrage beim Personal, was vielen Gästen Unbehagen bereitet. Zudem sind solche Programme mittlerweile an Orten zu finden, wo es bisher unüblich war, Trinkgeld zu geben, etwa in Bäckereien oder Imbissständen.
Diese Entwicklung wirft mehrere Fragen auf:
- Ist Trinkgeld in der Gastronomie von einer freiwilligen Geste zu einem „Pflicht“ geworden?
- Ist die Faustregel, fünf bis zehn Prozent Trinkgeld zu geben, überholt?
- Sollte bei Kartenzahlung das Trinkgeld nur noch elektronisch beglichen werden oder weiterhin in bar gegeben werden?
- Sind Selbstbedienungsbetriebe und Bäckereien jetzt auch als „Trinkgeld-üblich“ zu betrachten?
Die klare Antwort auf alle diese Fragen lautet: Nein. Doch jede Antwort braucht eine gewisse Differenzierung.
Aktuelle Umfragen zeigen, dass immer weniger Gäste Trinkgeld in der bisher empfohlenen Höhe von fünf bis zehn Prozent geben. Obwohl Trinkgeld nach wie vor als freiwillig gilt und eine gesellschaftliche Anerkennung für guten Service ist, bleibt es wünschenswert, diese Tradition beizubehalten – vielleicht sogar mit einem leicht erhöhten Prozentsatz, angesichts der Inflation, die auch die Beschäftigten in der Gastronomie betrifft. Besonders bei herausragendem Service ist es keine Schande, auch mehr als zehn Prozent zu geben.
Barzahlung von Trinkgeld ist weiterhin akzeptabel und wird in manchen Restaurants sogar bevorzugt. Deshalb empfiehlt es sich, bei Restaurantbesuchen immer etwas Bargeld dabei zu haben.
In Selbstbedienungsbetrieben oder an Theken, an denen Speisen lediglich zur Abholung bereitgestellt werden, sollte sich niemand durch digitale Trinkgeldaufforderungen verpflichtet fühlen, entgegen deutschen Gepflogenheiten Trinkgeld zu geben.